„Jibb“, [dʒɪb], zu Deutsch „einfach mal Spaß haben beim Mountainbiken“. Der Name des RAAW Jibb ist Programm: Die kleine Bike-Brand möchte sich mit dem verspielten Jibb XTR Build aus der Masse immer potenterer und auf Speed getrimmter Bikes herausheben. Doch nicht jeder kann mit ihm auf dem Trail Spaß haben.

Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Mountainbike 2021 – 22 Modelle im Test

RAAW Jibb XTR Build | 150 (+10)/135 mm (v/h)
14,8 kg in Größe L | 7.540 € | Hersteller-Website

Das Jibb ist das zweite Bike-Modell der kleine Bike-Schmiede RAAW. Der kleine Bruder des RAAW Madonna Baller-Enduros ist seinem großen Geschwister verdammt ähnlich. Der Aluminium-Rahmen im Raw-Look des Jibb mit 135 mm Federweg am Heck setzt auf die gleichen Design- und Technik Features. Allen voran sind die großzügig dimensionierten Lager mit extra Dichtungen, die massive Wippe des Horst-Link-Hinterbaus und die externe Zugführung. Im Vergleich zu vielen intern im Rahmen verlegten Leitungen sind sie absolut klapperfrei, verlaufen aber insbesondere im Bereich ums Tretlager und am Sitzrohr nicht ideal. Der weiche Kettenstrebenschutz im Rillendesign trägt sein Übriges dazu bei, dass das Jibb bergab absolut leise ist. Mit 150 mm Federweg in Front und 29”-Laufrädern soll das Jibb trotz seiner Auslegung auf maximalen Fahrspaß auch mit ruppigeren Strecken zurechtkommen. Wie es sich für stylishe Fahrer gehört, lassen sich Touren dank Flaschenhalter und Toolmounts am Oberrohr auch ohne Hipback oder Rucksack meistern.

Die Ausstattung des RAAW Jibb XTR Build ist fast perfekt

Ähnlich wie beim Ibis Ripmo V2 ist auch die Ausstattung des RAAW Jibb XTR Build nicht in Stein gemeißelt. Details wie Stützenhub und Vorbaulänge lassen sich auf der Hersteller-Website an die Körpergröße anpassen. Gegen Aufpreis stehen neben dem FOX DPX2-Dämpfer auch ein X2 und ein DHX2 Factory zur Verfügung. Unser Test-Bike bringt es mit dem 250 € teuren Update auf den DHX2-Stahlfederdämpfer auf 7.540 €. Abgerundet wird das Fahrwerk von einer FOX 36 Factory-Federgabel mit 150 mm Federweg und der GRIP2-Dämpfungseinheit. Wie der Name des Bikes schon suggeriert, verwaltet eine Shimano XTR die 12 Gänge und überzeugt mit knackigen Schaltvorgängen auch unter Last. Gestoppt wird das Jibb von einer Shimano XTR-Bremse mit vier Kolben und 200 mm Bremsscheiben an Front und Heck. RAAW macht es hier der Industrie vor und setzt auch bei weniger Federweg auf eine richtig gute und vor allem hitzestabilen Bremse statt auf Leichtbau an der falschen Stelle. Mega! Kritik erntet das Jibb hingegen für seine Laufrad-Reifen-Kombination. Der hochwertige NEWMAN Advanced SL A.30 Carbon-Laufradsatz wird mit MAXXIS-Reifen in der dünnwandigen EXO-Karkasse kombiniert. Der HighRoller II in Front und der DISSECTOR am Heck werden in Sachen Pannenschutz dem Jibb nicht gerecht und müssen mit viel Luftdruck gefahren werden, um harte Durchschläge auf die Felge zu vermeiden. Hier lohnt sich nicht nur am Heck ein Upgrade auf die robustere Doubledown-Karkasse.

Sitzposition statt Leichtbau. Obwohl die Ausstattung des Jibb robust gewählt ist, fährt es vielen deutlich leichteren Bikes bergauf davon. Wir finden den Ansatz klasse.

Absolut leise
Der geriffelte Kettenstrebenschutz des JIBB ist super weich und hält alle Kettengeräusche in Schach. Auch wenn die Zugverlegung rein optisch nicht mit den ganz schicken integrierten Lösungen mithalten kann, ist sie akustisch tadellos.
Rucksack? Nein Danke!
Ein Rucksack ist das Letzte, was man beim Stylen und Spielen mit dem Gelände mitschleppen möchte. Das RAAW Jibb setzt auf einen Toolmount am Oberrohr.
Schwer zu erreichen
Statt auf kleine Buchsen zur Dämpferaufnahme setzt das Jibb auf großzügig dimensionierte Kugellager. Der High-Speed Rebound-Adjuster des FOX DHX2 sitzt am unteren Ende des Dämpfers und ist nur schwer zu erreichen.

RAAW Jibb XTR Build

7.540 €

Specifications

Fork FOX 36 Factory 150 (+10) mm
Rear Shock FOX DHX2 Factory 135 mm
Seatpost FOX Transfer Factory 175 mm
Brakes Shimano XTR M9120 200/200 mm
Drivetrain Shimano XTR 1x12
Stem Acros MTB stealth 50 mm
Handlebar Acros MTB-Carbon 780 mm
Wheelset NEWMEN Advanced SL A.30 29"
Tires MAXXIS HighRoller EXO 3C MaxxTerra/DISSECTOR EXO Dual 2,5/2,4

Technical Data

Size S M L XL
Weight 14,8 kg


Leben am Limit
Die Newman Advanced SL A.30 Carbon-Laufräder kombiniert RAAW mit MAXXIS-Reifen in der dünnwandigen EXO-Karkasse. Wer das JIBB artgerecht bewegt, wird hier früher oder später richtig hart bis auf die Felge durchschlagen und sie beschädigen.
Vorbildlich
Zuverlässigkeit statt Leichtbau ist das Credo des RAAW Jibb. Die Shimano XTR-Bremse mit 200-mm-Scheiben vorne und hinten lässt einen nicht im Stich!
Wächst mit
RAAW passt die Kettenstrebe des Jibb an die Rahmengröße an, so wächst sie von 440 mm (S, M) auf 445 mm (L) bis zu 450 mm (XL). Wer will, kann die Kettenstrebe seines Jibb aber auch an die persönlichen Vorlieben anpassen.

Die Geometrie des RAAW Jibb

Mit vier Rahmengrößen hat RAAW ein passendes Jibb für Biker ab 1,58 m bis 1,99 m. Eine Philosophie von RAAW ist, dass die Uphill-Performance eines Bikes vor allem von seiner Sitzposition und der Effizienz des Fahrwerks maßgeblich beeinflusst wird und das Gewicht eine untergeordnete Rolle spielt. Unser 14,8 kg schweres Test-Bike in L positioniert seinen Fahrer mit seinem super steilen 77,5° Sitzwinkel sehr zentral fast genau über dem Tretlager. Auf langen Touren in der Ebene lastet so zu viel Druck auf den Händen und das Jibb liefert hier nur wenig Komfort. Statt langer Runden um den See will das Jibb so schnell wie möglich zum Trail-Einstieg und zeigt sich an steilen Rampen als echtes Kletterass. Während andere Bikes wie das Specialized Stumpjumper EVO ihren Fahrer dann zu hecklastig positionieren und im Federweg versacken, stellt sich an Bord des Jibb maximale Entspannung ein. Am super schnellen Propain Hugene kann es zwar nicht dranbleiben, überzeugt dafür aber auch auf technischen Anstiegen mit super einfachem Handling.

Größe S M L XL
Sattelrohr 395 mm 420 mm 445 mm 470 mm
Oberrohr 561 mm 589 mm 619 mm 648 mm
Steuerrohr 100 mm 115 mm 130 mm 145 mm
Lenkwinkel 65,5° 65,5° 65,5° 65,5°
Sitzwinkel 77,5° 77,5° 77,5° 77,5°
Kettenstrebe 440 mm 440 mm 445 mm 450 mm
BB Drop 35 mm 35 mm 35 mm 35 mm
Radstand 1.177 mm 1.203 mm 1.240 mm 1.276 mm
Reach 420 mm 445 mm 470 mm 495 mm
Stack 608 mm 622 mm 636 mm 649 mm
Helm Giro Tyrant | Shirt Vans Checker Longsleeve | Hose Fox Flexair
Knieschoner AMPLIFI MKX | Schuhe Five Ten Kestrel Lace | Socken Stance

Nur für Profis – Das RAAW Jibb auf dem Trail

Wer geht hier mit wem Gassi? Der Terrier als Wappentier des RAAW Jibb ist passend. Denn ähnlich wie ein energiegeladener Hund den kleinen Schuljungen an der Leine durch den Park zieht, erfordert auch das JIBB einen erfahrenen Halter – pardon – Piloten um auf dem Trail zu gehorchen. Obwohl die variablen Kettenstreben mit 445 mm (Größe L) sehr lang sind, ist eine richtig aktive, nach vorne gerichtete Fahrweise nötig, damit das Jibb bergab dem eingeschlagenen Kurs folgt. Für Einsteiger gibt es deutlich gutmütigere Bikes, wie das Nukeproof Reactor, die sich viel intuitiver steuern lassen. Wer aber ohnehin mit der Brust fast über dem Vorbau im Drift in Anlieger segelt, kann die Agilität des Jibb für stylishe Fahrmanöver und zum Spielen mit dem Gelände nutzen. Denn anders als es der bullige Look und die Ausstattung und die Geometrietabelle vermuten lassen, ist das Jibb auf der agilen statt der laufruhigen Seite.

Bergab ist das RAAW Jibb richtig fordernd, belohnt aktive Fahrer aber auch mit viel Agilität und Fahrspaß. Wer unkonzentriert ist, kann abgeworfen werden.

Tuning-Tipps: vor allem am Heck Reifen mit robusterer Karkasse (z. B. MAXXIS Doubledown) | vor dem Kauf die richtige Federhärte ermitteln (lässt sich im Konfigurator wählen)

135 mm Federweg klingt nicht nach viel, doch der Hinterbau des Jibb harmoniert sehr gut mit dem Stahlfederdämpfer. Ähnlich wie das Nukeproof liegt es so sehr satt und liefert viel Traktion bietet aber auch richtig Reserven und schlägt nicht spürbar durch. Obendrein trumpft es mit viel Gegenhalt, sodass das Jibb ordentlich Flugmeilen sammelt und jedes Trail-Feature in eine Absprungrampe verwandelt. Auch das Santa Cruz 5010 ist am liebsten quer in der Luft unterwegs, ermöglicht im direkten Vergleich aber auch Einsteigern erste Flugmanöver.

Riding Characteristics

12

Uphill

1
  1. sluggish
  2. efficient

Agility

2
  1. cumbersome
  2. playful

Stability

3
  1. nervous
  2. confident

Handling

4
  1. demanding
  2. balanced

Suspension

5
  1. harsh
  2. plush

Fun Factor

6
  1. planted
  2. poppy

Value for money

7
  1. terrible
  2. very good

Intended Use

XC

8

Trail

9

Enduro

10

Downhill

11

Fazit

Das RAAW Jibb ist vielmehr Spezialist statt Allrounder. Statt auf langen Touren ist es am liebsten auf direktem, steilem Weg zum Trail-Einstieg unterwegs, um ihn dann möglichst stylish und mit viel Fahrspaß hinab zu surfen. Sein forderndes Handling macht es Einsteigern aber sehr schwer, das Jibb artgerecht zu bewegen, während Könner jedes Hindernis in eine Absprungrampe verwandeln. Der RAAW typische Aluminium-Rahmen ist auf Langlebigkeit ausgelegt und auch die Ausstattung ist – mit Ausnahme der Reifen – durchdacht.

Tops

  • Könner profitieren von hoher Agilität
  • top auf technischen Uphill-Trails
  • absolut leise

Flops

  • bergab sehr fordernd
  • wenig Komfort auf langen Touren

Mehr Informationen findet ihr unter raawmtb.com

Das Testfeld

Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Mountainbike 2021 – 22 Modelle im Test

Alle Bikes im Test: Canyon Neuron CF SLX 9 (Zum Test) | Canyon Spectral 29 LTD (Zum Test) | Canyon Stoic 4 (Zum Test) | FOCUS THRON 6.9 (Zum Test) | Ibis Ripmo V2 (Zum Test) | MERIDA eONE-SIXTY 10K (Zum Test) | MERIDA NINETY-SIX 8000 (Zum Test) | Nukeproof Reactor 290C (Zum Test) | Orbea Rise M-Team (Zum Test) | Propain Hugene (Zum Test) | RAAW Jibb XTR Build | Rocky Mountain Instinct C70 (Zum Test) | Santa Cruz 5010 X01 (Zum Test) | Santa Cruz Tallboy CC X01 (Zum Test) | SCOTT Ransom 900 Tuned AXS (Zum Test) | Specialized S-Works Stumpjumper (Zum Test) | Specialized S-Works Stumpjumper EVO (Zum Test) | Specialized S-Works Turbo Levo SL (Zum Test) | Trek Fuel EX 9.8 GX (Zum Test) | Trek Top Fuel 9.9 X01 (Zum Test) | Yeti SB115 TURQ3 (Zum Test) | YT IZZO BLAZE 29 (Zum Test)


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Text: Fotos: Valentin Rühl