Bike-Kategorien haben ausgedient! Die besten Mountainbikes 2021 sind so vielseitig, dass sie sich nicht mehr in eine Schublade stecken lassen und von langen Touren bis zum Bikepark alles mitmachen. Doch was bedeutet das für Bikes, die bereits vor Jahren speziell für den Toureneinsatz entwickelt wurden? Kann das gewichtsoptimierte Canyon Neuron CF SLX 9 mit den neuesten und besten Mountainbikes mithalten und ist es ihnen auf Touren nach wie vor überlegen?

Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Mountainbike 2021 – 22 Modelle im Test

Canyon Neuron CF SLX 9 | 130/130 mm (v/h)
12,58 kg in Größe L | 5.599 € | Hersteller-Website

Seit 2018 ist das Neuron ein echter Kassenschlager im Programm von Canyon. Die günstigen Alu-Modelle bilden einen fairen und bezahlbaren Einstieg in die Mountainbike-Welt. Als Topmodell muss sich das Canyon Neuron CF SLX 9 mit den aktuellsten und besten Mountainbikes des Jahres 2021 messen. Dafür setzt Canyon auf den besten und leichtesten der verschiedenen Neuron Carbon-Rahmen, der dank hochwertiger Carbonfasern Gewicht einspart. Durch das relativ geringe Gewicht von 12,58 kg verspricht sich Canyon zumindest bergauf einen Vorteil gegenüber Bikes der neuesten Generation. Trotz cleanem Look im matten Lack und mit dezenten Akzenten als Eyecatcher gibt das Neuron sein Alter bereits auf den ersten Blick preis: Die Züge werden in einem abnehmbaren Kabelkanal unterm Unterrohr verlegt und sind dort gut geschützt, klapperfrei und elegant versteckt. In den Bereichen rund ums Cockpit, Tretlager und den Hinterbau verlaufen sie aber im großen Bogen und stören dabei nicht nur die Optik. Hier reiben die Züge aneinander und am Rahmen. Auch der Lenkanschlag, der den Rahmen vor Beschädigungen schützen soll und auf dem Oberrohr prangt, stört den sonst so eleganten Look des Neuron. Hersteller wie Trek lösen das geschickter. Trotzdem steckt das Neuron auch voller smarter Details, wie den extra abgedichteten Lagern am Hinterbau, die die Haltbarkeit erhöhen sollen, oder der hinteren Steckachse, bei der sich der integrierte Hebel „trailsicher“ versteckt.

Günstiger Preis + teure Komponenten = top Preis-Leistung?

Mit 5.599 € für das CF SLX 9 ist bereits das obere Ende der Fahnenstange im Neuron-Portfolio erreicht. Auf den ersten Blick ist es beeindruckend, welche Anbauteile Canyon zu diesem Preis verbaut. Doch nicht alle Komponenten machen auf dem Trail Sinn. Bestes Beispiel ist die Shimano XTR-Vierkolbenbremse, die eigentlich über jeden Zweifel erhaben ist. Canyon kombiniert sie aber lediglich mit 180-mm-Scheiben an Front und Heck, sodass sie vor allem schwereren Fahren zu wenig Bremspower bietet. Die FOX Transfer-Sattelstütze passt optisch perfekt zum FOX Factory-Fahrwerk. Aufgrund des zu langen Sitzrohrs (480 mm in L) passt aber nur die Version mit 150 mm Hub in den Rahmen. In Front liefert eine 34 Factory-Gabel mit FIT4-Dämpfung 130 mm Federweg und am Heck sorgt ein DPS Factory-Dämpfer für die 130 mm des Vollcarbon-Hinterbaus. Auch an dem steifen und 760 mm schmalen Race Face Next-Lenker, den Next SL-Kurbeln und dem DT-Swiss XMC 1200-Laufradsatz ist Carbon das Material der Wahl. Während die Kurbel mit Shimanos XTR 12-fach-Schaltung für geringes Gewicht bei top Performance auf dem Trail sorgt, ist die Reifen-Felgen Kombination kritisch: Die 29” x 2,35” Schwalbe Nobby Nic-Reifen liefern mit ihrer harten Gummimischung und dem flachen Profil zu wenig Traktion und schützen die Carbon-Felge in der dünnwandigen Super Ground-Karkasse nur unzureichend vor harten Durchschlägen.

Die Ausstattungsliste des Neuron CF SLX 9 ist in Anbetracht des kleinen Preisschilds beachtlich. Doch was bringen einem die besten Teile, wenn das Grundkonzept auf dem Trail nicht aufgeht?

Heimmechaniker freut’s!
Statt auf intern verlegte Züge setzt Canyon auf einen Kabelkanal unterm Unterrohr. Das ist für Servicearbeiten nützlich. Rein optisch gibt es aber vor allem im Bereich rund um den Steuersatz und das Tretlager elegantere Lösungen.
Doppelt falsch
Vorne wie hinten setzt Canyon auf den Schwalbe Nobby Nic in der dünnwandigen Super Ground-Karkasse und der harten ADDIX Speedgrip-Gummimischung. In Front liefert er zu wenig Grip und am Heck zu wenig Pannenschutz.
Dichter als Goethe
Die neuralgischen Lager am Hinterbau sind mit extra Dichtungen vor Wasser und Dreck geschützt und sollen so länger halten. Cool!

Canyon Neuron CF SLX 9

5.599 €

Specifications

Fork FOX 34 Factory 130 mm
Rear Shock FOX DPS Factory 130 mm
Seatpost FOX Transfer Factory 150 mm
Brakes Shimano XTR M9120 180/180 mm
Drivetrain Shimano XTR 1x12
Stem Race Face Turbine 35 60 mm
Handlebar Race Face Next 35 760 mm
Wheelset DT Swiss XMC 1200 29"
Tires Schwalbe Nobby Nic Speedgrip Evo Super Ground 2,35

Technical Data

Size M L XL
Weight 12,58 kg


Lang, tief, schmal, steif
Nein es geht nicht ums Tuning eines Opel Manta, aber die Ergonomie des Race Face-Cockpit mit 60-mm-Vorbau und 760 mm schmalem Carbon-Lenker ist nicht minder oldschool. Obendrein ist es sehr steif, sodass die Hände in der Abfahrt schnell ermüden.
Leichtbau ohne Performance-Einbußen
Die XTR-Schaltung ist mit der leichten Race Face Next SL Carbon-Kurbel kombiniert. Der Antrieb verwaltet die 12 Gänge auch im ruppigen Terrain tadellos und macht sich positiv auf der Waage bemerkbar.
Relikte einer längst vergessenen Welt
Das Unterrohr des Neuron gibt das wahre Alter der Rahmenplattform preis. Neben Befestigungsmöglichkeiten für den Flaschenhalter finden sich auch Kabelführungen für einen Umwerfer (das Ding, mit dem Opa früher auch vorne die Gänge gewechselt hat).
Schützt die Strebe, aber nicht die Ohren
Der verschraubte Kettenstrebenschutz aus hartem Plastik bringt im Kampf gegen Kettengeräusche fast gar nichts. Hier muss man trotz aufwendigem Schutz mit weichem Slapper-Tape nachhelfen.

Die Geometrie des Canyon Neuron CF SLX 9 im Detail

Kleine Fahrer gehen beim Neuron CF SLX 9 leer aus. Der SLX-Rahmen mit speziellen Carbonfasern ist zwar leichter als der herkömmliche Neuron Carbon-Rahmen, aber nur in den Größen M, L und XL und ausschließlich mit großen 29”-Laufrädern erhältlich. Denn die kleineren 27,5”-Laufräder verbaut Canyon ausschließlich bei den Rahmen in XS und S. Wer in Anbetracht des kompakten Reach (453 mm in L) zum größeren Rahmen greifen will, sei gewarnt. Mit 480 mm (Größe L, 520 mm bei XL) ist das Sitzrohr extrem lang und schränkt die Bewegungsfreiheit unnötigerweise ein. Schade, denn auch der steile Lenkwinkel (67,5°) verführt dazu, für mehr Laufruhe zum größeren Bike zu greifen. Der Sitzwinkel ist hingegen flach, mit zunehmendem Sattelauszug flacht er durch den Knick im Sitzrohr noch weiter ab. In Kombination mit dem langen Vorbau zwingt das Neuron seinen Fahrer in der Ebene in eine gestreckte, sehr sportliche Sitzposition: Mit einer ordentlichen Sattelüberhöhung kommt beim Neuron Race-Feeling statt Langstreckenkomfort auf. So motiviert es auf Forststraßen seinen Fahrer, voll zu attackieren, und belohnt nicht zuletzt dank des geringen Gewichts mit ordentlicher Beschleunigung – allerdings nur bei aktivierter Plattformdämpfung. Denn mit offenem Dämpfer versackt das Heck des Neuron im Federweg und macht es bergauf schwer, das Vorderrad unter Kontrolle zu halten.

Größe M L XL
Sattelrohr 445 mm 480 mm 520 mm
Oberrohr 603 mm 626 mm 654 mm
Steuerrohr 102 mm 112 mm 143 mm
Lenkwinkel 67,5° 67,5° 67,5°
Sitzwinkel 74,5° 74,5° 74,5°
Kettenstrebe 440 mm 440 mm 440 mm
BB Drop 38 mm 38 mm 38 mm
Radstand 1.167 mm 1.190 mm 1.222 mm
Reach 433 mm 453 mm 473 mm
Stack 614 mm 623 mm 651 mm
Helm Smith Session | Brille Scott Shield | Hippack Bontrager Rapid | Shirt Vans Checkerboard
Shorts Specialized Pro Shorts | Schuhe Five Ten Kestrel Lace MTB SPD | Socken Stance

Oldschool! Das Canyon Neuron CF SLX 9 auf dem Trail

Das zeigt sich besonders auf steilen technischen Trails: Hier muss das Gewicht weit nach vorne verlagert werden, damit das Neuron dem eingelenkten Kurs folgt. An Wurzeln und Kanten mangelt es dem Heck dann aber an Traktion, sodass der hart gummierte Hinterreifen durchdreht. Der große Bruder Spectral erklimmt technische Hindernisse und steile Rampen deutlich souveräner, liefert viel mehr Komfort für lange Touren und braucht sich auch beim Wettrennen auf der Forststraße nicht vorm leichteren Neuron verstecken.

Was der Blick in die Geometrietabelle vermuten lässt, bestätigt sich, sobald das Canyon Neuron CF SLX 9 in den Downhill abbiegt. Seinen Fahrer positioniert es trotz relativ niedrigem Tretlager nämlich auf statt im Bike. Der lange 60-mm-Vorbau und der flache Lenker ziehen den Fahrer sehr weit über die Front, sodass in Steilstücken schnell Überschlagsgefühle aufkommen. Dabei verhindert das viel zu lange Sitzrohr, diese Position durch Gewichtsverlagerungen nach unten auszugleichen. So bleibt einem an Bord des Neuron nur eine passive Fahrposition, mit dem Hintern weit überm Hinterrad und gestreckten Armen.

Leichte Bikes klettern gut: Das Canyon Neuron CF SLX 9 ist der Gegenbeweis und muss sich im Uphill trotz starker Performance auf der Waage vielen deutlich schwereren Bikes geschlagen geben.

Tuning-Tipp: Nicht nur Trail-Heizer, sondern auch Tourenfahrer finden im neuen Canyon Spectral das bessere und deutlich modernere Bike.

In Kurven und beim Bremsen mangelt es dem Neuron an Traktion. Das liegt zum einen an den Reifen mit dünnwandiger Super Ground-Karkasse, die mit viel Luftdruck gefahren werden müssen, und zum anderen am Fahrwerk, das zu Beginn des Federwegs recht straff arbeitet. An Wurzeln oder bei kleinen Sprüngen gibt Letzteres seinen Federweg hingegen zu schnell frei, schlägt unvermittelt durch und lässt einen früh zur Bremse greifen. Egal ob auf gebauten Flowtrails oder einfachen natürlichen Pfaden: Mit dem Neuron kommt im direkten Vergleich zur neuesten Mountainbike-Generation kein echter Fahrspaß auf.

Riding Characteristics

12

Uphill

1
  1. sluggish
  2. efficient

Agility

2
  1. cumbersome
  2. playful

Stability

3
  1. nervous
  2. confident

Handling

4
  1. demanding
  2. balanced

Suspension

5
  1. harsh
  2. plush

Fun Factor

6
  1. planted
  2. poppy

Value for money

7
  1. terrible
  2. very good

Intended Use

XC

8

Trail

9

Enduro

10

Downhill

11

Fazit

Im direkten Vergleich mit den besten und aktuellsten Mountainbikes merkt man dem Canyon Neuron CF SLX 9 sein Alter an. Rahmendetails, Geometrie und Konzept des Bikes sind altbacken. Das zeigt sich vor allem auf dem Trail, denn obwohl das neue Canyon Spectral bergab gleich vier Ligen über dem Neuron spielt, ist es ihm auch bergauf und beim Langstreckenkomfort überlegen. Trotz attraktivem Preis und beeindruckender Ausstattungsliste ist das Preis-Leistungs-Verhältnis in Anbetracht der Fahrleistungen schlecht. So gilt auch für Tourenfahrer: Wenn Canyon, dann unbedingt das Spectral!

Tops

  • abgedichtete Hinterbaulager

Flops

  • trotz Fokus auf Touren bergauf schwach
  • bergab permanent überfordert
  • trotz attraktivem Preis und hochwertiger Komponenten nur schwache Preis-Leistung

Mehr Informationen findet ihr unter canyon.com

Das Testfeld

Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste Mountainbike 2021 – 22 Modelle im Test

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Text: Peter Walker Fotos: Diverse

Über den Autor

Peter Walker

Peter ist nicht nur ein Mann der Worte, sondern auch der Taten. Mit ernsthaften Bike- und Schrauber-Skills, seiner Motocross-Historie, diversen EWS-Teilnahmen und über 150 Bikepark-Tagen in Whistler – ja, der Neid der meisten Biker auf diesem Planeten ist ihm gewiss – ist für Peter kein Bike zu kompliziert und kein Trail zu steil. Gravel und Rennrad kann er übrigens auch! Das für unsere redaktionelle Arbeit wichtige Thema Kaufberatung hat Peter in Vancouvers ältestem Bike-Shop von der Pike auf gelernt und setzt sein Know-how auch im journalistischen Alltag um. Wenn er nicht gerade die Stuttgarter Hometrails auf neuen Test-Bikes unsicher macht, genießt er das Vanlife mit seinem selbst ausgebauten VW T5. Dass er dazu noch ausgebildeter Notfallsanitäter ist, beruhigt seine Kollegen bei riskanten Fahrmanövern. Zum Glück mussten wir Peter bislang nie bei seinem Spitznamen „Sani-Peter“ rufen. Wir klopfen auf Holz, dass es dazu auch nie kommen wird!